Und wieder haben sie zugeschlagen: Die Gebrüder Hampel aus München, beide bestens bekannt in der Münchner Szene für Blues, Voodoo und Louisiana Kultur. Und das Wichtigstes zuerst: Schorsch Hampel singt wieder konsequent in der Sprache, die er am Besten kann: Auf Bayrisch. Das ist bei Schorsch Hampel nicht nur ein Dialekt oder Akzent, nein es ist seine Sprache: Er schreibt, singt und spricht natürlich auf Bayrisch. Er tut das aber so, dass auch Nichtbayern seinen Texten folgen können. Wie ich schon bei früheren Rezensionen seiner Alben gesagt habe: Bayrisch auch für Nichtbayern.
Das Album „hoamwehblues“ wurde im Frühjahr 2019 herausgebracht und ist in der Folge seinen eigenen Albums „Sog Gscheid“ und der Zusammenarbeit mit der Max Bronski Band Produktion „München Blues“ erschienen. Es ist ein spartantisch instrumentiertes Bluesalbum, auf dem es nichts zu hören gibt als Dr. Will in der Rhythmussektion und Gesang und eben Schorsch Hampel mit Gesang, Gitarren und Mundharmonika. Zu wenig? Weit gefehlt, aber dazu muss man die beiden exzellenten Musiker kennen: Dr. Wills Art, Schlagzeug zu spielen und alles, was resoniert in Rhythmus zu bringen und Schorschs Gitarrenstil auf E-Gitarren, Resogitarren und akustischen Gitarren sind meisterlich. Aber für mich stand erst mal die Musik im Hintergrund, weil ich wissen wollte, was Schorsch zu erzählen hat. Man hat das Gefühl, dass man einem alten Mann in einem Münchner Hinterhof zuhört, der seine Mitmenschen, seine Viertelgenossen und sein Leben beobachtet und still analysiert. Die Helikopter-Mama des schlechterzogenen Balgs in „Neili“ (Neulich) oder der Businessmann, der joggt und gelegentlich auch Hunde tritt. Alles in „ja ned mein hund“ niedergelegt. Schorsch Hampel bringt auch textlich diesen Charakter auf den Punkt: „…ah Du bist a ganz Tougher, sig Di jedn Dog beim Lafa..“. In „2017 blues“ beobachtet er den modernen Menschen, dem Internetpräsenz wichtiger als „Sinnieren“. Ein nicht ungefährlicher rückblickender Vergleich auf die 2 Kriegszeiten, welche die Europäer schon mitgemacht haben. Aber auch die 60er und 70er Jahre haben für Schorsch Hampel eine wichtige politische und kulturelle Kompenente. Hier kommt auf dem Album zum erstmal das Banjo zum Einsatz: Knallhart, melodiös und perkusativ – Für mich ein unterschätztes Zupfinstrument. Er tritt für die Minderheiten ein, wenn er vom „kloana dicka bua“ singt. Auch diese Nummer überzeugt durch einen gelungenen Sound, Gitarre etwas verfremdet, leicht sphärisch und ein staubtrockenes und gelooptes Schlagzeug dazu. Was heute die Kids in den sozialen Medien an Hate schaffen, konnten die Kinder früher durch Schimpfworte und Ausgrenzung auch ganz gut. „Schaugzn o“ zeigt den Sonderling, den keiner wirklich kennt und der ebenso leicht vielleicht unschuldigerweise in Verdacht gerät. Auch hier wieder eine kraftvolle Nummer mit nur einer Gitarre, verzerrt und rhythmisch gespielt. Der Charakter des Songs kommt aber auch von der nicht 100% blueskonformen Akkordfolge.
Über weite Strecken hält sich Schorsch Hampel an die großen Bluesvorbilder. Nachzuhören in „siebter Sohn“ und die mystische Kraft, welche von einem solchen am Siebten gebornenen als Siebtgeborenen ausgeht. Der Song hat auch musikalisch eine große Kraft: Treibendes Schlagzeug, synthetisierte Gitarre und Harps geben dem Song die gewünschte Kraft. Der “wanderblues“ ist von der Melodie und Thematik an Robert Johnsons „Walkin Blues“ angeleht. Aber im Detail ist Schorsch Hampels Text weit schärfer, weil das Wandern ja ganz schön sein mag, nur wenn man als Heimatloser or Rastloser dazu getrieben und gezwungen wird, geht jede Wanderromtantik verloren. Schorsch Hampel setzt sich in seinen Texten für die Teile der Gesellschaft ein, die Nichts haben. Auch “Hunga“ blickt zurück: Studium, Ideale, aber unerfüllte Träume, die Gesellschaft und Natur zum Besseren zu bewegen. Leider bleibt er trotz Idealismus auf der Stecke und der „Hunga is blim…und Du seiba bist dia fremd..“. Frust und Burnout sind das Resultat, einer Zitrone gleich ausgequetscht. Im Gospelstil eines „hard time killing floor“ kommt „nehemia“, aber gänzlich ohne dem Kantor, aber dafür mit massiv depressiver Gitarre – wunderbar gezupft und geslidet. „Faistal“ erzählt im Sound von „rolling and tumbling“ die Geschichte vom Bösen im Hintergrund, der sich ins Fäustchen lacht.
Hat in „2017 blues“ noch der gesellschaftliche Rückblick dominiert, wünscht sich Schorsch Hampel in „mississippi sehng“ eine Reise an die Wurzeln des Blues, also am Mississippi lang vorbei an den touristischen Attaktionen, geprägt durch Elvis Presley und Martin Luther King durch Wolkengüsse und Sümpfe bis New Orleans.
Das Album hat 16 tolle Bluessongs und alle exklusiv auf bayrisch. Die Texte sind von den beiden Musikern selbst, auch wenn sie musikalisch oft bekannten Themen folgen. Es wird aber immer spannend, wenn die beiden Hampelbrüder die ausgetretenen Pfade des Blues verlassen und ihre ganz eigene Interpredation einer Melodie aber auch des Textes einbringen. Das Album kommt im 6-seitigen Pappcover mit allen notwendigen Information zur Produktion. So waren in der Tontechnik Uli Kümpfel und Tom Peschel dabei, die den intimen Sound zusammen mit dem Großmeister Dr. Will gezaubert haben. Erschienen ist das Album bei BSC Music. Schorsch Hampel scheut die Sozialen Medien. Daher bleibt als wesentliche öffentliche Kontakt seine unten erwähnte Webseite.
Munich Talk Resumée: Ein sparsam instrumentiertes Album mit seelenreichen Blues und bilderreichen Erzählungen aus der heimlichen Hauptstadt des Blues und immer die Sozialkritik im Augenwinkel.
Munich Talk Hörtipp: „kloana dicka bua“ und “hunga”, “ko ned schlaffa”, „mississippi sehng“ und „jeds mechad“ jedes Stück ein Juwel und Unikat im Blues. Und „siebter sohn“, weil das alte Thema kraftvoll rüberkommt. Und ein Muss ist „hoamwehblues“, mehr Folk als Blues aber der eindringlichster Song des Albums. Aber eigentlich hat das Album insgesamt 16 Kleinode zum Hören.
Songliste:
1 | Neili | 02:41 |
2 | 2017 Blues (zruckgschaugt) | 03:04 |
3 | Schaugzno | 03:23 |
4 | Ja ned mein Hund | 03:30 |
5 | Kloana dicka Bua | 03:19 |
6 | Hunga | 03:37 |
7 | Ko ned schlaffa | 03:14 |
8 | Wanderblues | 03:25 |
9 | Mississippi sehng | 03:30 |
10 | Jeds mechad | 04:12 |
11 | Nehemia | 02:59 |
12 | Faistal | 04:30 |
13 | Siebter Sohn | 04:18 |
14 | Wardn hoid | 03:05 |
15 | Schee wars | 05:17 |
16 | Hoamwehblues | 02:45 |
Links:
http://www.schorsch-hampel.de/
https://www.bscmusic.com/de/cd_shop/latest/album_releases.htm?newsID=13853
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