Da ist er wieder – der Cigarbox Gery, der Typ mit der Pommesgabel am Hut und der Zigarrenkiste im Arm. Dieses Mal präsentiert Friedel Geratsch in der Konfiguration Garage 3 das im Herbst erschiene Album „Neu“. Friedel Geratsch gehört zu den fleißigsten Musikmachern im deutschsprachigen Raum. Auf die Deutschsprachigkeit legt er Wert, weshalb er auch ausschließlich auf Deutsch textet. Das verpflichtet den Zuhörer auch zuzuhören. Und texten kann Friedel Geratsch. Kein Reim, kein Vers endet so, wie man sich das auf die Schnelle eines Songs vorstellt. Wir werden gleich auf einige Songs nach diesem Merkmal eingehen.
Mit von der Party, Entschuldigung, Partie sind Stephan Schott am Schlagzeug, Pascal Cherouny am Bass und Friedel Geratsch an den Cigarboxgitarren und als Sänger. Alle Songs und Texte stammen von Friedel Geratsch und es ist das mittlerweile 3. Album dieser Band. Auch wenn wir Friedel Geratsch wohl zum Smokin‘ Guitars – Cigarboxguitar Festival Germany 2023 in Pleutersbach wohl das letzte Mal live gesehen haben, kündigt sich schon wieder Neues an. Davon hier mehr, wenn es soweit ist.
Das Album „Neu“ ist mit 15 Stücken bestückt und dieses Mal stehen alle Zeichen und Noten unmissverständlich auf Blues – na gut Bluesrock, wenn Garage 3 dann auf die Tube drückt. Logischerweise startet das Album also auch mit „Spiel den Blues“. In Reihenfolge des Bluesschmerzes kommt erst das geschrottete Auto, dann die abgehauene Frau und danach gleich die Haustiere. Aber solange die CBG da ist, lässt sich der Blues ja ertragen. Eine schnelle auf „Blues eingestellte“ Nummer, die alle Sorgen schnell wie der Takt vergessen lässt. „An der Bar“ wird uns mit einer unwahrscheinlichen, weil ausgedachten Geschichte etwas Pause gegönnt. Durchreisende an der Bar, die sich den Abend noch mal vertreiben wollen. Dann ließt man „Ventilator Blues“ Aufgehorcht! Etwa die Nummer der altenglischen Rentnerband? Nein, es geht um den Alltag des Ventilators Werner, der wegen Entkräftung vor dem Hyperventilieren lieber stehen blieb. Wie gesagt: Man weiß bei Friedel Geratsch nie, wo und wie es endet oder welche Wendungen den Songdrehsinn nimmt. Ein immer wiederkehrendes Symbol bei Friedel Geratsch ist die Pommesgabel am Hut, die seit längerer Zeit sichtbar ist und nun in einem langsamen Bluesrock endlich seine Würdigung findet. „Irgendwie komm ich schon klar“ ist eine seit fast 35-jährige Situationsanalyse der deutschen Konsumgesellschaft. Im 3/4 Takt geht es durch den Supermarkt der Kulturen und Unterhaltung. Was plakativ wirkt, ist subtiler als es klingt. Jeder findet seine persönliche Interpretation, was da an Text und Song auf den deutschen Bundesbürger zukommt. „Gute Leute“ beschränkt sich auf einen Satz, nämlich“ In schlechten Zeiten braucht man gute Leute, so war das gestern und so isses heute“. Eine Kernaussage, an der derzeit der Arbeitsmarkt und die gesamte Wirtschaft sich einen abbeißt. Was dann neben der Aussage noch überrascht, ist das bassige Solo am Schluss des Songs, bevor es geschmeidig zur Schwarzfahreranimiere übergeht. Der Fuß tippt, das Bein wackelt im Takt mit, wenn mal wieder vom Blues der gebrochenen Herzen oder vom Spaß am Blues berichtet wird. Aber eigentlich wollten wir doch „schwarzfahren“. Soundwechsel: Der Banjosound – über einen langsame Ballade gelegt – geht ins Blut des Blues. Ja – ja – „Dieser Blues“ hat eine Wirkung auf den Menschen, der ihn hat, singt oder danach tanzt und auf noch auf dem falschen Fuß landet. Wenn Friedel Geratsch sagt „Keiner kennt mich“, geht es nicht um Menschen, sondern seelische Zustände, in denen der Mensch in seiner Einsamkeit eiskalt erwischt wird. Es ist der Schmerz, die Einsamkeit oder die Straße abwärts, die ihn so gut kennen und seine Wegbegleiter sind. Mit schnellen Ska geht es weiter, eine absolute Stiländerung der angenehmsten Art. Er empfiehlt „Lass es laufen“, der Ska beschleunigt die Gangart beim Laufen, ein Solo treibt uns beim Laufenlassen weiter. Ein Song, der eigentlich nicht enden darf, bei dem man die Augen schließt und der Takt einen fortträgt, auch wenn das Laufen auch Weglaufen bedeuten kann. Wer von der Sucht redet, blickt in die Abgründe des Lebens. Aber sie war eine Schönheit und eine echte Persönlichkeit. Wieder falsch gedacht, weil in „Komm nicht mehr los“ geht es um die nun jahrelang anhaltende Liebe zur CBG-Music, die uns ebenso lange diese tolle emotionelle Musik beschert. Erst hängen wir mit dem Blues im Auto ab und dann – Halleluja – „Sonntag häng ich ab“. Dicker, dunkler Blues mit einer Bluesharp unterlegt. Auch der härteste Bluesmusiker muss mal Ruhe geben und einfach nur abhängen. Das sind wir unserem Image schuldig, solange die CBG heult und laut aufschreit. Der „Autofahrer Blues“ und „Sonntag häng ich ab“ erzählen uns, wo man am Besten Blues hören kann: Am Steuer des Autos mit dem Ellbogen aus dem Fenster geschoben und dann am Wochenende. Ganz ohne Nebenwirkung funktioniert aber die Sucht nicht. Wer CigarBoxGuitar spielt muss mit Raucherhusten rechnen. Wenn man aber im Kohlenpott aufwächst, kann der Ruß auch woanders herkommen. Hauptsache die CBG röhrt. Für den Husten geht man dann an einen Luftkurort. Mit der Nummer 15 und „Ich dreh mich nicht um“ beschließt Garage 3 das neue Album „Neu“. Man besingt noch mal die Klischees des Blues, der CBG und des freie Leben des Bluesmusiker, solange da vorne einen das Ende nicht einholt.
MunichTalk Hörtipp: „Lass es laufen“ – kein Blues aber verdammt schneller und packender Ska, „Ventilator Blues“ weil das Ende überraschend ist und der Banjosound eine gute Alternative ist, was auch für „Dieser Blues“ gilt, Text und Sound sind einwandfrei – „Spiel den Blues“ weil die Post abgeht.
MunichTalk Resumeé: Die Band hat sich dem Blues und der CBG Guitar verpflichtet. Der Zuhörer übernimmt aber nicht nur diese Lust auf Blues sondern auch die Verpflichtung, den deutschen Texten zuzuhören. Was mir immer wieder gefällt: Gute Bluesmusik, handgemacht und jeder Text eine Überraschung. Wie immer mehr als empfehlenswert und hoffentlich hören wir noch viele Songs von der CGB.
Songliste:
01 Spiel den Blues
02 An der Bar
03 Ventilator Blues
04 Pommesgabel am Hut
05 Irgendwie komm ich schon klar
06 Gute Leute
07 Schwarzfahrer Blues
08 Dieser Blues
09 Keiner kennt mich
10 Lass es laufen
11 Komm nicht mehr los
12 Autofahrer Blues
13 Sonntag häng ich ab
14 Cigarbox Gitarre und Raucherhusten
15 Ich dreh mich nicht um
Bezugsquelle:
Videos:
[youtube https://www.youtube.com/watch?v=6WMCXW10IXU]