Alabama Slim – The Parlor


Raw – Rough – Roots! So kann man das neue Album „The Parlor“ von Alabama Slim umschreiben.  Denn Alabama Slim ist mit seinen 80 Jahren die frühe Inkarnation von John Lee Hooker, der kaum 22 Jahre älter war als dieser hervorragende, aus Vance, Alabama stammende Musiker. „Parlor“ ist die gute Stube, aus der wir nun ausgiebig hören werden. Von Alabama Slims gute Stube zeugen nicht nur seine Wurzeln, sondern auch der Bekleidungsstil, den er pflegt: Immer im Anzug! Die Art zu Singen und die Gitarre zu spielen sind den Blueshörer nicht unbekannt und beim Hören der 10 Songs auf dem Album bekommt man sofort ein Déjà-vu-Erlebnis. Die Songs sind minimalistisch aufgenommen – ein wenig Bass- und Gitarrenbegleitung und ein fast schüchternes Schlagzeug dazu. Unter den Gästen des Album findet man auch Little Freddie King und alle Songs sind im stampfenden Boogierhythmus eingespielt. Die Songtitel und -texte kupfern unverhohlen die Lyrics aus „Boom-Boom-Boom“ oder „Rock me“ oder  von John Lee Hooker oder auch Muddy Waters. Aber genau das ist das Fazsiniernde dieses Album: Songs im Stile der alten Bluesheroen von einem Musiker eingespielt, der mittlerweile bald selbst zur Legende wird. Das ist Musik, wie sie eben die Generation der John Lee Hookers, Bill Broonzys oder Lightnin’ Hopkins definiert und gepredigt hat. Bei den Songs wird mal spontan der 12-Takter zum 13-Takter oder ein 4/4-Take zum 5/4-Takt erklärt. Spontane Bluesmusik ist das Credo dieses Albums und Regeln gibt es keine. Alabama Slim spielt, was ihm da Spaß macht und Little Freddy King folgt ihm da blind. Für mich ist dieses Album eine große Überraschung zum Ende des Jahres 2020, das vom pandemiegetriebenen Niedergang der Kultur geprägt ist. Die Stimmung im Lande ist depressiv und da kommt das Album „The Parlor“ von Alabama Slim wie der Silberstreif am Musikhorizont.

Allright, das Album startet mit „Hot Foot“, schnell, Boogie, Herzschmerz. Gefolgt wird das Stück von „Freddie’s Voodoo Boogie (feat. Little Freddy King) – nicht minder schnell und nicht minder rau eingespielt. Die Solos sind rhythmusgetrieben und der Sprechgesang predigt den Voodoozauber, den sie um ihn herumspinnt. „Rob me without a gun“ nimmt das Gas raus, die Orgel im Hintergrund gibt fast einen sphärischen Klang dazu: „Mama, you scramble my mind“.  Und dann ein simples, aber intensives Gitarrensolo, bevor sie ihn selbst ohne Waffe ausraubt. „Rock with me Momma“ ist wieder ein schneller Boogie auf einem bekannten Gitarrenriff, ohne den Akkord zu wechseln. So einfach dies Struktur des Songs ist, so spannend und intensiv wirkt der Song. Es bleibt einem nur, den Kopf zum Rhythmus mit zu schütteln. Man kann sich nicht entziehen. Wieder deutlich  langsamer kommt „All night long“, ein Blues mit teilweise Mollakkorden vom Klavier, was den Song an sich schon wieder spannend macht. Was an diesem Song auffällt ist die Tatsache, das Alabama Slim nicht gleichförmig durchspielt, sondern mit Tempoänderungen, den Einsatz von Orgel oder Klavier und verschiedenen Rhythmen die Songfolge auflockert. „Forty Jive“ endet genau so spontan wie er anfängt. Alabama Slim pumpt sich mit einem schneller Rhythmus durch den Song, um nach 2 Minuten mit einem Lachen das Spiel zu beenden. „Midnight rider“ macht an dieser Stelle schnell weiter, ohne Akkordwechsel peitschen die beiden Gitarren den Song vorwärts, eine Gitarre macht Grundrhythmus und die andere Gitarre soliert rhythmisch dazu. Das Schlagzeug treibt, obwohl man nur Snare und Besen wahrnimmt. Aber auch dieses Stilmittel „weniger ist mehr“ macht das Album „The Parlor“ aus und prägen es. „Rock me“ ist der Song, den wir von Muddy Waters oder vom Komponisten B.B. King kennen. Der Song rockt und rollt, der Bass treibt und Alabama Slim teilt seine Freude, wenn sie ihre Arme um ihn legt. Auch „Someday Baby“ kommt uns sofort bekannt vor. Der Song startet mit den Zeilen „…Don’t care how long you go/I don’t care how long you stay“ und schon werden wir zu „…trouble no more…“ geführt werden. Der Song ist schnell und wieder sorgt die unkonventionelle Spielart von Alabama Slim und Little Freddie King für Spannung und Überraschung. Mit dem Blues „Down in the bottom“ schließt dieses tolle Album, das man jedem Rootsbluesfan empfehlen kann. 

Munich Talk Hörtipp: „Someday Baby“, weil es schnell ist. „Down in the bottom“, weil es ein Blues ist und „Forty Jive“ weil es anders ist.

Munich Talk Resumée: Raw – Rough – Roots! Ein Muss im Plattenschrank.

VÖ: „Parlor“ erscheint am 29. Januar 2021 auf Cornelius Chapel Records, Proper / Bertus Musikvertrieb (CD + LP).

Musiker: Für diese Platte haben sich die Musiker mit der Music Maker Relief Foundation zusammengetan. Postproduktion und die perfekte Menge an Bass, Orgel und Klavier stammen von Matt Patton (Drive-By Truckers), Dexateens (Dial Back Sound) Jimbo Mathus (Squirrel Nut Zippers, Mississippi Blues Legend). Pearl Rachinsky Moreland (Pearl JR) lieferte das Artwork für das Album.

Titelliste:

1. HOT FOOT
2. FREDDIE’S VOODOO BOOGIE
3. ROB ME WITHOUT A GUN
4. ROCK WITH ME MOMMA
5. ALL NIGHT LONG
6. FORTY JIVE
7. MIDNIGHT RIDER
8. ROCK ME BABY
9. SOMEDAY BABY
10. DOWN IN THE BOTTOM

Videos:

Links:

https://www.facebook.com/alabama.slim.77

http://www.corneliuschapelrecords.com/alabama-slim 

http://www.bertus.com


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