Wellbad: Eine Show wie ein Schauspiel


Das Interview:

Wellbad oder auch Daniel Welbat, die treibende Kraft dahinter, waren die Gewinner der deutschen Ausscheidung der Blues Challenge und damit auch die Teilnehmer des darauffolgenden International Blues Challenge. Wer nun aber z.B. seine letzte CD „The Rotten“ in Händen hält oder seine Videos ansschaut, mag sich fragen, wie beides zusammen geht: Ein Blueswettbewerbsgewinner und eine völlig überdrehter Performer in einer Person? Ein Grund mehr, sich mit Daniel Welbat anlässlich seines Konzerts am 6. Januar 2018 in der Legends Lounge in Olching zusammenzusetzen, Fragen zu stellen und die Antworten im darauffolgenden Konzert abzugleichen. Nach dem professionellen Soundcheck treffen wir einen völlig ruhigen, entspannten Daniel Welbat, der im Gegensatz zur Videoperformance und Show, sehr bedacht und überlegt redet, der genau weiß, was er wie zu sagen hat und frei von jeder Panikattacke und überdrehten Showgehabe ist.

MT:  Was führt Euch als wahre Nordlichter doch mal in den wilden Süden?

Daniel Welbat: Ich war ja schon mal als Supporter für Robert Cray in der Muffathalle und ich trinke ja gerne (Daniel lacht). Ich meine, ich mag gerne das helle Bier und wenn mich ein Münchener Veranstalter heute anruft, wäre ich der Letzte, der „Nein“ sagt, aber es ist irgendwie schwierig, da reinzukommen. Alleine die Anfahrt heute von Aschaffenburg zeigt das Problem der sehr langen Wege. Aber damals haben wir einfach nicht schnell genug angeknüpft.

MT: Habt Ihr eine norddeutsche Fanbase oder warum hört man Euch so selten im Süden

Daniel Welbat: Wir sind alle, außer dem Keyboarder aus Bremen, in Hamburg geboren. Ich habe da auf der Reeperbahn angefangen zu spielen. Seit dem ich 16 bin, habe ich da eine kleine Fanbase aufgebaut und dadurch hat sich das da schneller aufsummiert. Man kommt hier einfach zu selten um die Ecke.

MT: Deine Videos sind die filmische Gestaltung Deiner Songs und Texte. Wie wichtig sind für Dich daher Videos?

Daniel Welbat: Danke sag ich erst mal – ich nehme das als Kompliment. Ich bin Synchronsprecher, mein Eltern kommen beide vom Film, mein Vater ist Filmemacher und mein Großvater war auch schon Filmemacher. Das war die erste Anlaufstelle, die ich in meinem Leben hatte und mein bester Freund ist auch in der Filmproduktion. Für mich war als Kind klar, dass ich zum Film gehe – Bis ich eine Gitarre in die Hand genommen habe. Mir war klar, für eine Film brauche ich drei Jahre zum Finanzieren und Drehen und Fertigstellen. Wenn ich einen Song mache, dauert das 3 Minuten.  Der Film blieb aber bei mir haften und ich finde die Kombination von Film und Musik als sehr schön. Heute kann ich die Musik mit Film verbinden und mein bester Freund hilft mir dabei, die Musik umzusetzen.

MT: Wieviel Aufwand steckst Du in die Videos gegenüber der Albumproduktion.

Daniel Welbat: Ich habe also den sehr guten Freund, mit dem ich schon in den Kindergarten ging. Der ist jetzt bisschen mehr auf der Filmschiene hängen geblieben und ich mache Musik. Und da verbinden wir uns im Grunde. Wir treffen uns in Berlin, trinken unheimlich viel – Ich sage die ganze Zeit, dass ich so viel trinke (lacht). Dann sitzt trifft man sich, arbeitet zusammen und das ist so ganz schön. Ich finanziere das über die Band und habe sozusagen meine Werbung gemacht. Der Aufwand, einen Song zu schreiben, beträgt Minuten. Mit der Filmproduktion verbringe ich mehr Zeit.

MT: Der jetziger Gewinner des deutschen Blues Challenge hätte beinahe nicht nach Memphis fliegen können, weil die Mittel gefehlt haben. Bist Du 2015 nach dem Sieg letztendlich geflogen?

Daniel Welbat: Wir sind dann in dem Jahr nach dem Gewinn in Eutin geflogen.

MT: Hatte Deine Musik eine Chance auf dem IBC?

Daniel Welbat: Ich wurde ja gewissermaßen vorgewarnt, uns nicht zu viel in Memphis zu erwarten. Unser Musik entspricht ja nicht ungedingt den Vorstellungen der Jury. Aber war schon toll, mal über die Beale Street zu wandern. Wir haben auch, völlig losgelöst vom Challenge, vor Ort ein Konzert mit toller Resonanz gemacht und durften einen Song in Sun-Studio in Nashville aufnehmen. Man kann das Ganze als Investition in ein Gesamtpaket „Promotion“ betrachten. Und es gab ja auch Förderungen, um die Reise zu finanzieren.

MT: Deine Texte sind alles andere zärtliche Liebestexte. Woher nimmst Du diese „lebens- oder grenzüberschreitenden“ Themen?

Daniel Welbat: Mich interessieren Gegensätze und da gehört Leben und Tod auch dazu.

MT: Welche Rolle spielt der Tod in Deinen Songs?

Daniel Welbat: Es ist jetzt nicht so, dass ich permanent von Themen des Todes umgeben bin, aber ich beschäftige mich damit.

MT: Ist Deutsch zu singen eine Option für Dich?

Daniel Welbat: Deutsch ist für mich irgenwie nicht so mundfreundlich wie Englisch.

MT: Bist Du privat der gleiche rauhe und bärbeissige Typ oder würde man bei Dir zu Hause einen anderen Daniel Welbat antreffen?

Daniel Welbat: Es geht ja nicht, dass man den ganzen Tag herumläuft und brüllenderweise nach dem Salzsteuer verlangen kann.

MT: Blues in vielfältig, sofern die Altvordern oder Ewiggestrigen bzw. die Bluespolizei nicht gefragt werden. Wo nordest Du selbst Deine Musik ein?

Daniel Welbat: Streng genommen spielen wir ja selbst als Eutin-Teilnehmer keinen regulären 12- Takter. Mir fällt daher die Einteilung in Blues, Prewar Blues, Jazz usw. schwer

MT: Kannst Du von Deiner Musik leben?

Daniel Welbat: Um mir mal eine zweite Currywurst oder ein Bier mehr leisten zu können, habe ich auch noch andere Aktivitäten. Ich bin ja auch Synchronsprecher und verdiene da dazu. Sonst wäre es wohl eher eine halbe Currywurst

MT: Was müsstest Du tun, um ein Leben lang davon leben zu können

Daniel Welbat: Mehr spielen, mehr produzieren und mehr Alben herausbringen.

MIT: Gibt es einen Masterplan?

Daniel Welbat: Nicht ungedingt

MT: Was wäre der Plan B?

Daniel Welbat: Ich bin Synchronsprecher und in der Filmindustrie unterwegs. Dann mache ich halt da weiter.

MT: Welches Pickup-System verwendest Du für Deine Akustikgitarre?

Daniel Welbat: Ich muss gestehen, dass ich mit Systemen und Markennamen nicht sehr bewandert bin. Ich weiss es ehrlich gesagt gar nicht.

MT: Stellst Du uns mal kurz Deine Band vor:

Daniel Welbat: Die Band hat sich über lange Zeit geformt. Musiker kommen und bringen Freunde mit, die geblieben oder auch anderen Dingen nachgegangen sind. Die CD-Band ist die Band des heutigen Abends außer der Keyboarder Simon Andresen, für den jetzt Joachim Refardt dabei ist. Dazu kommen noch:

  • Stefan Reich – bass
  • Lennard Eggers – guitar
  • Jonas vom Orde – drums

MT: Kleines Spiel – 5 Musiktitel aus „The Rotton“ und 5 kurze Kommentare von Dir dazu:

  1. The Oldest Feeling. DW: Hier die Beschreibung des ältesten Gefühls der Welt, selbst wenn es einem Verblichenen gilt
  2. Sally Kruger (who is Sally Kruger). DW: Sally Kruger möchte ich auch mal kennenlernen. MT: Aber sie ist ja tod, also nur ein fiktive Gestalt? DW: Ja, nur eine fiktive Gestalt
  3. Sold-Out Show (Musiker oder Stripperin). DW: Die Einsamkeit eines Performers
  4. Brand New Yesterday. DW: Die älteren Damen im Video war meine Tante und ein Freundin von ihr – Öfters mal was Neues anpacken
  5. Weak God (Bist Du gläubig). DW: Ich bin nicht direkt im religiösen Sinn gläubig, aber ich beschäftige mich mit solchen Fragen

Die gesamte Bildergalerie des Interviews gibt es hier.

Das Konzert:

Der Saal in der Legend Lounge in Olching ist nicht ganz gefüllt und mit einer kleinen Verspätung fängt das Konzert von Wellbad an. Am Merchandizestand bietet Malte CDs und Vinyl an. Bereits 10-20% der verkauften Tonträger sind in Vinyl. Gleich zu Beginn des Konzerts wird der Gegensatz von Daniel Welbat und Wellbad klar. Hier steht ein Schauspieler, der die Bühne zum Filmset umfunktioniert. Hier wird inszeniert und Show gemacht. Der erste Song ist ein Klasse Blues und geht nahtlos ohne Pause in den 2. Song „The Rotten“ über. Und weiter mit „Welcome to the worst day“, den Song, den sie in Nashville aufgenommen haben. Das Publikum, das meist mit „Sehr verehrte Damen und Herren“ angesprochen wird, ist ein Teil seiner Castingshow und die Musiker sind nicht für das Publikum da, sondern umgekehrt. Es wird die Performance den Publikums bewertet – applaudiert es ausreichend und korrekt? Werden CD ordentlich gekauft oder muss der Merchandizer hier mit Storkingmethoden nachhelfen, umwillige Käufer zu überzeugen?

Wellbad gestikuliert, schreit, flüstert, die Gesichtmimik ändert sich mehrmals in Sekunden, er kriecht förmlich auf der Bühne, wenn er nicht gerade das Mikrophon nervös liebkost oder in einen Grammophontrichter brüllt.

Der Bassist Stefan Reiche tut es gleich, indem er auf den Bühne einen wahren Kraftakt zwischen Bassgymnastik und Kontrabassturnen hinlegt. Der Keyboarder Joachim Refadt wechselt mal schnell zur Blechblasinstrument oder hängt am Akkordeon.

Die Ansagen werden schriller von Song zu Song und erst ein langsamer Blues bringen Wellbad und das Publikum wieder runter und ein einsamer Akkord beendet den ersten Set. Es ist erfreulich, dass Wellbad nicht nur Songs aus dem letzen Album „The Rotten“ spielt. Aber selbst diese Songs erfahren eine Livewandlung. Die Songs erleben hier auf der Bühne ein wundersame Wandlung und wer glaubt, die Studiofassung zu hören, irrt! Die Band bringt erstaunliche Nuancen mit auf die Bühne und machen jeden Song zum neuen Erlebnis. Der 2. Set geht mit der gleichen Energie weiter, wie es im ersten Set zuging: Welbats Gesicht agiert am Mikrophon und der Bassist tobt am Bass. Der Gesang ist aggressiv und zärtlich zugleich. Dann wechselt der Keyboarder ans Blechgebläse und schon ertönt morbider New Orleans Blues. Voodoo liegt in der Luft und die ersten Damen beginnen am Bühnenrand zu tanzen. Wellbad kokettiert jetzt mit dem Verkauf der CDs am Merchandizestand – „Malte, merk Dir die Gesichter, die nicht kaufen wollen“. Dann „I testify“ und „Different state of mind“ – so herrlich anders als auf dem Album und mit tollen Gesangssätzen der gesamten Band. Die große Bandbreite, mit der Wellbad und Daniel Welbat ans Werk gehen, fasziniert auch ein Dame, die begeistert neben uns steht.

Der Abend geht langsam zu Ende. „The Oldest Feeling“ ist ja auf dem Album schon eine romatische Nummer aber hier auf der Bühne in Olching mit nur 2 akustischen Gitarren auch von Lennard Eggers und den projizierten Sternenhimmel, romantischer und ergreifender geht es nicht mehr, wenn die letzte Liebe im Leben aufleuchtet.

Den Abschluss macht ein für „Wellbad“ untypischer Singer/Songwriter Song und Wellbad stellt den Applaus in Relation mit eine Beziehung zum Publikum. 

Natürlich geht keine Show ohne inszenierte Zugaben, denn „Wellbad ist normalerweise nicht so Einer, der nach dem ersten Konzert in Olching gleich eine Zugabe spielt“. In der ersten Zugabe stellt Daniel Welbat die Band in gewohnte überdrehter Form vor und gibt jeden Musiker viel Raum für ein Solo nach Gusto. Drummer Jonas vom Orde bearbeitet nicht nur sein Drumset, sondern auch gleich die Wand hinter der Bühne. Es kommt noch mal New Orleans Feeling auf und meine Nachbarin flüstert mir „Tom Waits Style“ zu. Und wieder sehen wir Daniel Welbat als den Mann mit den vielen verschiedenen Gesichtern und vor allem Stimmen. Innerhalb von Sekunden sehen wir auf der Bühne „Es“, „Gollum“, den charmanten Conferencier oder einfach einen phantastischen Sänger, der auch Blues kann. Nach insgesamt 4 Zugaben u. a. mit „Patience of the numb“ geht der phantastisch aufregende Abend mit einem einfachen „Vielen Dank“ zu Ende. 

Die gesamte Bildergalerie des Konzerts gibt es hier.

 


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