Babylon Circus Never Stop Tour – Ein Gespräch unter 8 Augen


Zum Tourende am 16.02.2014 im Ampere, München

Interview: Mario Bollinger und Christophe Rascle, Fotos: Christophe Rascle

Am 16.Februar gastierte Babylon Circus auf seiner deutschen “Never stop” Tour im Münchener Ampere. Für einen 100% Bluesanhänger wie mich ein guter Grund, mal über der Tellerrand des Blues hinauszuschauen. Durch eine Jamaram-CD in meiner Sammlung positiv auf SKA, Raggae und ähnliches eingestimmt, fragte mich Photograph Christophe Rascle, der die Band aus den Vorjahren schon kannte, nach einem Interview, was auch umgehend von der Band bestätigt wurde. Schnell wurde klar, dass wir nach dem Wandel in der neuen CD, nach Davids Unfall und nach dem sozialem Engagement fragen müssen. Und so ging es los mit David und „Manu“ Manuel.

David Baruchel – Manuel Nectoux – Mario Bollinger

Mario: Willkommen in München nach Eurer Tour in Australien und den Niederlanden. Ist das euer erstes Konzert in Deutschland?

Babylon Circus: Nein, aber Deutschland war eines der ersten ausländischen Länder, wo wir gespielt haben. Das erste Mal haben wir 2001 in Berlin gespielt. Wir lieben Berlin auf Grund seines kulturellen Angebots.

Mario: Welche Erfahrung habt Ihr mit dem deutschen Publikum im Gegensatz zu australischem oder gar französischem Publikum?

Babylon Circus: Es ist lustig, wenn wir reisen. Wir bereisen viele Länder. Wir merken bereits Unterschiede von Stadt zu Stadt oder von Festival zu Festival. Jedes Publikum ist einzigartig. Es ist immer als wenn man jemand Neuen kennenlernt, der seine Eigenheiten hat. In Deutschland ist das Publikum etwas sozialer oder geselliger eingestellt und es ist etwas älter.

Mario: Es war einfach, Euch über Christophe für ein Interview zu kontaktieren. Bevorzugt ihr solche sehr persönlichen und unkomplizierten Kontakte?

Babylon Circus: Ja, es ist schön und für uns der Schlüssel, solche lokalen Kontakte zu haben. Nach jeder Show kommen wir zum Merchandising Stand, nicht nur um unsere T-Shirts zu verkaufen oder Autogramme zu geben, sondern so in Kontakt mit der Realität kommen und nicht nur Facebookkontakte zu nutzen. Wir wollen diesen Kontakt haben und pflegen, statt nur im Hinterzimmer zu sitzen.

Mario: Erzählt uns mehr über Australien.

Babylon Circus: Wir sind zum 4. Mal in Australien und wir bleiben immer ca. 3 Wochen mit 15 Konzerten. Es ist ein sehr großes Land zu bereisen und wir müssen viele Kilometer fahren oder zu fliegen. Das Land ist sehr interessant, weil wir es kaum kennen. Es ist einerseits sehr britisch und hat auch andere Einflüsse. Aber es hat eine Gemeinsamkeit mit Deutschland: Die Zuhörer sind ebenfalls etwas älter und daher etwas neugieriger. Es ist cool, nicht nur für die spezialisierten Fans zu spielen. Es gibt Länder, wo die Reggae-Fans nur Reggae-Bands hören wollen. In Australien kannst Du auch ergraute Menschen sehen, die mit ihren Kindern tanzen. In jedem Land ist es ist immer ein Kampf oder wie eine Eroberung. Das erste Mal ist es wie ein Abendteuer, man verliert – selbst Geld, aber dann kommen das Vertrauen und auch die Fans. Wir haben gute Freunde und einen guten Manager in Australien. In Deutschland sind wir zum ersten Mal mit einem alten Mercedes gekommen und haben überall gespielt. Wir waren in den Niederlanden und in der Tschechischen Republik. In Polen sind die Fans auch sehr warm. Aber wir fragen uns, warum man Deutschland als einziges Land die ganze Woche spielen können. Selbst in kleinen Venues kamen jeden Tag unter der Woche viele Fans. Die Leute waren total neugierig, uns überall zu sehen.

Mario: Wie kommt euer Ska in Australien dort an?

Babylon Circus: Da wir eine Mischung mit vielen Stilen machen, ist das kein Problem. Selbst das Akkordeon ist ein sehr beliebtes Instrument. Damit fangen wir die Menschen dort ein, öffnen die Herzen der Menschen und animieren sie zum Tanzen.

Mario: David hatte einen gefährlichen Unfall in Moskau mit einem doppelten Gehirntrauma. Wie ist das passiert?

Babylon Circus (David): Es war Freitag, den 13. April 2007 und wir hatten eine tolle Show in Moskau. Wir kamen von Lyon, hatten nicht geschlafen und gegessen und wir sollten nach der Show auf eine Party gehen, wo wir aber eigentlich doch nicht hinwollten. Wir ließen uns überreden und ich hatte mehr Wodka, als ich üblicherweise vertrug. Ich stürzte und hatte ein doppeltes Gehirntrauma, lag 3 Tage im Koma und 15 Tage im russischen Krankenhaus, bevor ich ausfliegen konnte. Ich wurde epileptisch als Konsequenz des Gehirntraumas und war für 6 Monate wie ein Stück Gemüse. Ich war paranoisch oder introvertiert wie Mr. Hyde und Dr. Jekyll. Aber die Musik holte mich zurück. Wir hatten eine Show im Central Park in New York und ich ging gegen den Rat der Ärzte auf die Bühne und hier bin ich. Die Show war phantastisch aber ich war tot für den Rest des Tages.

Mario: Welchen Einfluss hatte das auf Dich und hatte es Einfluss auf die Band?

Babylon Circus (David):  Selbstverständlich änderte es meine Einstellung zum Leben. Ich habe immer auch mich geachtet, aber vielleicht damals nicht genug. Früher gab es nur Babylon Circus, heute passe ich mehr auf, achte auf mich, auf meine Freunde und die Familie.

Babylon Circus (Manu):  Als David mit dem doppelten Gehirntrauma war, wussten wir nicht mehr, ob wir eine Band sind. Dann haben wir La Belle Etoile aufgenommen. Es war, als ob die Musik zu uns zurück kam. Das war das Schiff, das wir zum Rüberrudern brauchten. Auch ohne Davids Unfall war es vorher ein Überlebenskampf, ob die Band existiert oder nicht. Wenn ich heute das Album gelegentlich höre, erinnere ich mich an diese Zeit.

Manuel Nectoux

Mario: Ihr hattet die Gelegenheit, Nelson Mandela zu treffen?

Babylon Circus:  Wir haben nicht ihn getroffen, sondern seinen Enkel. Wir waren in seinem Haus in Johannisburg, und wir haben bei ihm gejammt. Am ersten Abend, als wir in Südafrika ankamen, haben wir einfach in einem Pub gejammt. Dort haben wir den Enkel getroffen. Wir spielten ein Konzert für eine soziale Einrichtung für Frauen und Kinder der Minen und auf einem Festival, dann haben wir mit Nelsons Enkel gejammt und danach sind wir nach Frankreich zurückgeflogen. Das waren sehr aufregende 48 Stunden.

Mario: Was waren eure kleinsten und die größten Konzert?

Babylon Circus: Nach mehr als 15 Jahren ist das schwer zu sagen, wo der kleinste Auftritt war. In Portugal haben wir vor 80000 Leuten gespielt und auf dem Woodstock-Festival in Polen (Anmerkung der Redaktion: 2006) waren es 100000 Menschen.

Mario: Machte euch das Angst?

Babylon Circus: Nein, aber wir konnten die Menschen nicht mehr wirklich sehen. Als ich mit Musikmachen begann, hat mein Onkel zu mir gesagt, es ist besser mit 20 Fans Musik zu machen als gelangweilt für 20000 Menschen zu spielen. Wir möchten da verbunden bleiben und die Show nicht für sondern mit den Zuschauern machen.

Mario: Ihr singt Eure Lieder auf Französisch und Englisch. Was macht den Unterschied aus, die einer oder andere Sprache zu wählen?

David Baruchel

Babylon Circus:Wie es kommt, so kommt es. Manche Sachen kommen besser in Englisch, andere Song sind in besser auf Französisch. Es ist die Magie, die der Song dann ausstahlen soll.

Mario: Würdet Ihr auch auf Deutsch singen?

Babylon Circus: David antwortet auf Deutsch: Ich habe bereits einen Song auf Deutsch geschrieben. Ich habe ihn aber verlegt, möchte ihn aber wiederfinden und eines Tages auf Deutsch spielen.

Mario: Ihr habt im Irak-Krieg eine politische Position eingenommen. Ist Babylon Circus politisch aktiv?

Babylon Circus: Als wir jünger waren, waren wir politisch über Foren sehr aktiv. Heute ist jeder von uns für sich selbst aktiv und wenn wir ein Thema haben, dann sind wir wieder aktiv. Wenn wir denken, dass wir eine Nachricht haben und wenn es in unsere Ethik passt, dann werden wir aktiv. Wir leben nun mal alle auf dem gleichen Planeten und müssen zusammen leben und auf uns zugehen. Wir unterstützen soziale Dinge und wir spielen für benachteiligte Menschen. Wir unterstützen Menschen, um ihnen Gehör zu verschaffen oder beteiligen uns an Antikriegs- und Antirassismuskampagnen. Manchmal spielen wir auf Festivals mit sozialem oder politischem Hintergrund oder nehmen an speziellen Events teil. So haben wir einmal im Pariser Olympia für Autisten gespielt. Das war eine tolle Atmosphäre. Hier hatten wir mehr zurückbekommen als wir geben konnten. Wir haben uns an Kleidersammlung beteiligt. Wir waren in Syrien am Anfang des Irakkrieges. Musik ist ein politischer Akt. Selbst ein Liebeslied kann dann politisch sein. Man kann sich treffen, Meinungen austauschen und sich kennenlernen.

Mario: Ihr habt bis jetzt 5 Alben veröffentlicht. Euer letztes Album “Never Stop” fällt dabei laut Kritikern am meisten aus dem Rahmen. Warum habt ihr das anders gemacht?

Babylon Circus: Das war eine neue Erfahrung. Jedes Album ist immer etwas anders. Wir nehmen uns die Freiheit, andere Dinge auszuprobieren oder zu wechseln. Wir möchten nicht immer mit dem gleichen Dingen gefangen sein. Mit jeder neuen CD treffen wir andere Menschen. Früher hatten wir junge Menschen mit Dreadlocks in Publikum. Heute haben wir teilweise älteres Publikum, das unser CD mag und deshalb kommt. Wenn man etwas Ähnliches wie die vorherige CD macht, dann sagt die Hälfte der Fans „toll“ und die andere Hälfte schreit „Warum habt Ihr Euch verändert“. Wir haben ein Studio und dort experimentieren wir. Aber irgendwann muss man einen Punkt setzen und den Schnitt machen und das Foto schießen. Manche Menschen folgen uns und manche Menschen haben uns verlassen. Viele Fans, die unsere neue CD nicht mochten, kamen auf ein Konzert und haben gemerkt: Es ist immer noch Babylon Circus und unsere Fans portieren das auch wieder hinaus zu den alten Fans.

Mario: Was hören wir heute Abend?

David Baruchel

Babylon Circus: David lacht: Du wirst es hören!

Mario: Was hat sich bei den Musikern geändert?

Babylon Circus: Die Band ist jetzt 19 Jahre alt. In den ersten Jahren hat sich die Band nicht verändert. Als wir langsam 30 Jahre alt waren, fingen die Veränderung an. Manche Musiker wollten was anderes machen oder aufhören, auf Tour zu gehen. Auf Tour gehen ist cool, aber es ist weit anstrengender als man denkt. Babylon Circus ist mehr und mehr ein Unternehmen. Es immer hart, wenn jemand geht und wir können auch niemand mit aller Gewalt halten. Keine gehört irgendjemanden. Wenn jemand zur Karawane stößt, ist er willkommen und wenn er eine Pause von der Karawane braucht, dann respektieren wir das.

Mario: Was plant Ihr für 2014?

Babylon Circus: Neue Songs schreiben. Heute ist die letzte Show und erst April geht es weiter. Bis dahin wollen wir schreiben. And we „never stop“ touring!

Mario: Ihr habt am 21. Juni ein Fête de la Musique in Hyères in Frankreich. Das Konzert ist gratis.

Manuel Nectoux

Babylon Circus:  Ja, das Fête de la Musique ist traditionell immer frei. Wir spielten das schon in Damaskus, in Beirut und Berlin. Es ist traditionell immer umsonst.

Mario: Ihr reist alle in einem Tourbus. Ist das komfortabel?

Babylon Circus: Ja, wir mögen das, wir sind 14 Musiker und 2 Fahrer. Wir schlafen sehr gut. Seit 2005 sind wir so unterwegs. Es ändert Dein Leben und Dein Bett ist immer dabei. 2002 hatten wir unseren ersten Bus in Deutschland. Lothar war unser erster Fahrer. Ein 2 Meter Mann, der am Morgen bei Ankunft in der Venue sich erst mal ein 6 Pack Bier besorgte. Aber er war ein guter Fahrer.

Mario: Wie schmeckt euch unser Münchener Bier?

Babylon Circus (Manu): Wir lieben euer Bier, als Musiker trinken wir selbstverständlich gerne Bier. Als Musiker kommt man um Bier fast nicht herum. Viele in der Band mögen Belgisches Bier aber ich habe genug davon. Wir lieben das reine Deutsche Bier.

Manuel Nectoux - Mario Bollinger - David Baruchel Manuel Nectoux - Christophe Rascle - David Baruchel

http://www.babyloncircus.net/


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